GRENACHER
 

(Publiziert am 30. November 2024 in der alle zwei Wochen erscheinenden Print-Kolumne GRENACHER)

Liebe Erbengemeinschaft Erdin

Es ist eine Geschichte, die mich rührt, weil sie von einer besonderen Haltung zeugt und der
Weisheit, dass am Glück einiger Wenigen möglichst alle teilhaben sollen. Es ist auch eine
Geschichte, die beweist, wie mit der Selbstverständlichkeit und Solidarität, die eine Gemeinschaft
auszeichnet, Grosses möglich ist. Und schliesslich ist die Geschichte, von der ich hier erzählen
werde, auch ein wunderbarer Beleg dafür, was für ein Geschenk an die Zukunft das selbstlose
Handeln im Hier und Jetzt ist.

Die Geschichte geht so:

In Gansingen gibt es die Erbengemeinschaft Erdin. Die Geschwister sind Eigentümer einer
landwirtschaftlichen Parzelle, auf der seit Jahr und Tag ein veritables Bächlein sprudelte und auf
der ein paar Kernobstbäume standen. Doch auch die Chernematt, so heisst das Gebiet zwischen
dem Gansinger Bürerberg und dem Ortsteil Büren, geriet vor gut 60 Jahren ins Visier der
Güterregulierung, die primär darauf bedacht war, in der Natur möglichst viel einfach zu
bewirtschaftende landwirtschaftliche Fläche zu generieren – also wurden auch die Flussläufe, in
diesem Fall das Bisletenbächli, eingedolt.

«Mir ist aufgefallen», erzählt Beat Erdin von der Erbengemeinschaft, «wie sich die Natur in den
letzten 70 Jahren verändert hat.»

Beat Erdin, ältester Vertreter der Erbengemeinschaft Josef Erdin, mag aber nicht bloss davon
erzählen, wie er den Wandel der Zeit erlebt.

Den Worten des Erben folgen Taten der Erbengemeinschaft: Die Geschwister beschlossen, das
bislang landwirtschaftlich genutzte Land dem Naturschutz zur Verfügung zu stellen.

So kam eins zum andern: Die Erbengemeinschaft zur Gemeinde, die Gemeinde zum
Naturschutzverein Gansingen der das Projekt verantwortete (und die Bachöffnung auf der
Webseite www.nvgansingen.ch hervorragend dokumentiert hat) bis hin zur Dorfschule, deren
Kinder Bäume und Heckensträucher im neuen über 6000 Quadratmeter grossen Naturlebensraum
pflanzten.

Auf 220 Metern fliesst das Bächlein nun in einem neuen Flussbett über Wurzelstöcke,
Holzschwellen und Kalksteine, drei grössere Weiher und vier kleinere Tümpel, Trockenmauern,
Hecken, Kleinstrukturen und ein Obstgarten mit einer extensiv bewirtschafteten Wiese
komplettieren das wunderbare neue Kleinod, das Bienen, Wildbienen, Insekten, Vögeln,
Kleintieren, Pflanzen und selbst Hochstammbäumen neue Heimat bietet.

Als wär’s bald Weihnachten, die Zeit der Bescherung, zeigt uns diese wunderbare Geschichte:
Die Idee einer selbstlosen Erbengemeinschaft, der Natur wieder zurückzugeben was ihr einst
genommen wurde, ist allein schon grossartig und verdient neben Anerkennung grössten Dank.

Der Wille und die Erkenntnis der Gemeinschaft, dieses Geschenk dankbarst anzunehmen und der
Nachwelt auf Jahrhunderte zu vermachen zeugt überdies von einer famosen Atmosphäre im Dorf.

Wir alle bräuchten mehr Gansingen.