GRENACHER
 

(Publiziert am 20. April 2024 in der alle zwei Wochen erscheinenden Print-Kolumne GRENACHER)

Liebe Anneliese Seiler

Als CEO des Gesundheitszentrum Fricktal haben Sie keinen leichten Job: Kostendruck, Versorgungssicherheit, Personalmangel – es gab und gibt allerlei zu tun bei Ihnen in den Spitälern von Rheinfelden und Laufenburg. Der Konzentrationsprozess im Spitalbereich geht weiter und keiner weiss, ob wir uns in Zukunft im Fricktal noch den Luxus von einem oder gar zwei Spitäler in unserer Region leisten können.

So erstaunt mich wenig, dass Sie sich – kurz bevor sie sich nach 17 Jahren vom CEO-Job aufs Verwaltungsratspräsidium zurückziehen – noch ein Denkmal für die Ewigkeit bauen: In diesen Tagen haben Sie in Frick ein 1200 Quadratmeter grosses Refugium eröffnet, Sie nennen ihr Baby IAVO-Praxis, was für «Ihre Ärztin, Ihr Arzt vor Ort» steht, der grosse Bruder also für Ihre «Praxis am Bahnhof» in Rheinfelden, die es auch schon seit längerem gibt.

Nun wissen wir ja, dass immer alles näher zusammenrückt und jeder alles macht; die Migros betreibt schliesslich auch Fitnesscenter, der Coop Drogerien, die Lebensversicherungsgesellschaft ist auch ein Immobilienmakler, der Volg offeriert Malkurse für ausgediente Möbel und der Gärtner verkauft auch noch Whirlpools.

Wieso also soll auch das Spital nicht gleich noch Arztpraxen betreiben, sozusagen eine Triagestation vor der Zuweisung ins Spitalbett? Tönt auf den ersten Blick doch vernünftig, macht doch irgendwie Sinn, oder?

Gewiss, Frau Seiler, das hat was. Bloss: Es erinnert mich ein bisschen an die Strategie unserer Raiffeisenbänkler, die einst mit einer Filiale und einem Bancomaten im hinterletzten Kaff Kunden akquirierten, um danach schrittweise zuerst den Bancomaten oder den Bankschalter und dann die Filialen in den Dörfern nebenan aufzuheben. Wem das nützte? Sicher nicht den Kunden.

Ich fand die bisherige Aufgabenteilung zwischen Hausarzt und Spital ziemlich bewährt, also vernünftig und sinnvoll, weil damit die medizinische Versorgung effizient und effektiv gestaltet werden konnte: Hier der Allgemeinmediziner als erster Ratgeber bei gesundheitlichen Beschwerden, als Anlaufstelle für Prävention und als Koordinator der medizinischen Versorgung, da das Spital als Notfallversorger, Spezialist für komplexe Eingriffe und Verweilort einer stationären Behandlung.

Wenn Sie nun als Chefin zweier Akutspitäler mit ihrem neuen Praxisreich in Frick im Wirkungsfeld der Hausärzte wildern, finde ich das problematisch – was sich exemplarisch im Umstand zeigt, dass Sie neben ihrer neuen Adresse auch gleich noch eine bestehende Arztpraxis in Frick übernommen haben. Der dortige bisherige Hausarzt fand offenbar altershalber keinen Nachfolger – und Sie hatten offenbar voll genug Geld im Kässeli, um neben der neuen Praxis noch die Übernahme einer bestehenden Hausarztpraxis zu stemmen.

Das mag ich Ihnen, liebe Frau Seiler, zwar persönlich gönnen.

Aber ich bin mir nicht ganz so sicher, ob diese Entwicklung auch jenen Menschen hilft, die jetzt noch das Glück haben, von Ihrem Hausarzt persönlich, kompetent und hingebungsvoll behandelt zu werden. Mit Ihrem Expansionsdrang, so fürchte ich, wird der Druck auf all jene Praxen steigen, die in den nächsten Jahren ihre Nachfolge regeln müssen. Dass darunter am Schluss die Patienten leiden, weil ähnlich dem Beispiel der Bancomaten am Schluss Dienstleistungen abgebaut und verteuert werden, liegt auf der Hand.

Christoph Grenacher leitete verschiedene Medientitel. Heute ist er Inhaber der Kommunikationsagentur Mediaform. Er lebt im Kaister Ortsteil Ittenthal, in Zürich und im Engadin. grenacher@azkolumne.ch


PS: Hören Sie unter der Rubrik "Podcast" auf dieser Webseite auch den kurzweiligen vierzehntäglichen Talk mit Gästen aus Fricktal und dem Hotzenwald.